Trennungen und Scheidungen auf einem hohen Niveau – auch unter Familien mit minderjährigen Kindern – kennzeichnen bereits seit längerer Zeit die Familienentwicklung in Deutschland und anderen europäischen Ländern.
Sofern aus einer Beziehung gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, impliziert eine Trennung zwar das Ende der Partnerschaft, jedoch nicht das Ende der Elternschaft. Sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene besteht, mit Ausnahme von Sondersituationen, mittlerweile die explizite Erwartung, dass Eltern nach einer Trennung in ökonomischer und sozialer Hinsicht weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihre Kinder wahrnehmen. In der gesetzlichen Grundlage wird allerdings weiterhin davon ausgegangen, dass Kinder nach der Trennung bei nur einem Elternteil leben. Für andere Modelle existieren bisher keine oder nur unzureichende Regelungen. Die ökonomischen, sozialen und psychischen Folgen einer Trennung oder Scheidung können nach Geschlecht, sozialer Position und Alter variieren und damit soziale Ungleichheit hervorrufen oder verstärken.
Neue Partnerschaften bzw. sogenannte Fortsetzungsfamilien beeinflussen das Leben der betroffenen Erwachsenen und Kinder zusätzlich.
Bislang existieren über die Verbreitung und Lebensumstände von Nachtrennungsfamilien in Deutschland nur rudimentäre sozialwissenschaftliche Befunde. Dies liegt einerseits daran, dass die damit einhergehenden komplexen Lebens- und Familienformen durch die amtliche Statistik nicht adäquat abgebildet werden. Beispielsweise beinhaltet die amtliche Statistik zwar Informationen über die Anzahl von Ehescheidungen pro Jahr und die Anzahl der minderjährigen Kinder, die von Ehescheidungen betroffen sind. Allerdings ist unbekannt, wie viele minderjährige Kinder, deren Eltern unverheiratet sind, die Trennung ihrer Eltern erleben. Darüber hinaus orientiert sich die amtliche Statistik bei der Erfassung von Lebensformen am Haushaltskonzept, sodass es nicht möglich ist, haushaltsübergreifende Lebenszusammenhänge infolge einer Trennung zu erfassen. Eine weitere Ursache für die begrenzte Forschungslage besteht darin, dass auch sozialwissenschaftliche Datenerhebungen erst allmählich begonnen haben, die komplexen und dynamischen Lebenszusammenhänge der Mitglieder von Nachtrennungsfamilien zu ermitteln.
Vor dem Hintergrund dieser Befundlage stellt die vorliegende Broschüre einen ersten Versuch dar, bislang vorliegende sozialwissenschaftliche Befunde zur Lebenswirklichkeit von Nachtrennungsfamilien in Deutschland allgemeinverständlich in knapper Form zu bilanzieren. Sie vereint daher sehr unterschiedliche Beiträge, die verschiedene Themen aufgreifen, wie die Dynamik von Partnerschaft und Elternschaft, das subjektive Wohlbefinden und die finanziellen Folgen einer Trennung und Scheidung. Diese thematischen Schwerpunkte werden aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und zugrundeliegende empirische Analysen decken ein breites Spektrum der derzeit verfügbaren Datenquellen ab.
Vorwort aus: Familien nach Trennung und Scheidung in Deutschland