Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen sieht für getrennte Familien weitreichenden Reformbedarf im Familienrecht, bei den Beratungsstrukturen und in der Forschungslandschaft. Zu diesem Ergebnis kommt der Beirat in seinem aktuellen Gutachten "Gemeinsam getrennt erziehen".
Das Gutachten gibt einen umfassenden Überblick über Trennungsfamilien in Deutschland, die rechtlichen und finanziellen Folgen, aber auch die psychischen Belastungen einer Trennung. Der Fokus liegt auf der speziellen Situation der Familien, die geteilte Betreuung leben. Umfangreiche internationale Vergleiche und Studien zeigen, wie geteilte Betreuung anderswo gelebt und abgesichert wird und wo Deutschland noch Forschungslücken und Reformbedarf hat.
Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats
Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats empfiehlt:
- keine allgemeine Priorisierung der geteilten Betreuung durch Verankerung eines Leitbildes im Gesetz,
- die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern als grundsätzliche Voraussetzung für die Anordnung des Wechselmodells durch Gerichte,
- eine gesetzliche Regelung zur Kompetenzverteilung getrennt lebender Eltern,
- ein Stufenmodell für den Kindesunterhalt bei geteilter Betreuung einzuführen, bestehend aus dem symmetrischen Wechselmodell (Betreuungszeiten im Verhältnis von 50 zu 50 Prozent bis 55 zu 45 Prozent), dem asymmetrischen Wechselmodell (von 56 zu 44 Prozent bis 67 zu 33 Prozent) und dem Residenzmodell für alle anderen Fälle,
- das Prinzip verbindlicher Elternvereinbarungen im Fall einer Trennung im Rahmen eines Modellversuchs einzuführen. Diese Elternvereinbarungen sollen alle relevanten Regelungsbereiche umfassen und aufeinander abstimmen,
- bundesweit ein gestuftes Beratungsangebot für Eltern in der Klärungsphase vor einer Trennung und für getrennte Eltern mit unterschiedlichem Konfliktniveau einzuführen; hierfür sollen entsprechende Qualifikationsangebote des Fachpersonals im Rahmen einer Bundesinitiative staatlich finanziert entwickelt und implementiert werden,
- durch präzisere Erhebungen im Mikrozensus und in der Zeitverwendungserhebung mehr Daten über getrennt lebende Familien zu erhalten,
- den Forschungsbedarf unter anderem durch eine umfangreiche Langzeitbeobachtung von Trennungsfamilien zu decken und dabei vor allem nicht-eheliche Trennungen mit einzubeziehen.